Umfrage zu sozialen Innovationen in der Stadtentwicklung

Soziale Innovationen sind in der Stadtentwicklung in verschiedener Weise verbreitet, jedoch werden diese nicht immer als solche wahrgenommen und wertgeschätzt. Dies war der Ausgangspunkt einer Umfrage, die im Aufbaujahr der Innovationswerkstatt als eine Art Spurensuche und gemeinsame Entdeckungsreise durchgeführt worden ist. 

Ziel der Umfrage war es, spannende Projekte, Institutionen und Personen kennenzulernen, die bewusst oder unbewusst an sozialen Innovationen in der Stadtentwicklung arbeiten. Die Ergebnisse sind eine wichtige Basis, um Wissen aus Praxis und Forschung zusammenzutragen, Lernprozesse zu ermöglichen und Synergien zwischen verschiedenen Projekten und Akteuren herzustellen.
 
Die Umfrage war von Anfang Oktober bis Mitte November 2022 aktiv. Teilgenommen haben 49 Personen aus unterschiedlichen Branchen, wobei die Mehrheit aus den Bereichen Kommune/Verwaltung und Unternehmen/Privatwirtschaft stammt. 

 

Insgesamt wurden 64 Assoziationen bzw. Beispiele für soziale Innovationen genannt, die im ersten Schritt der Auswertung zu Themenclustern zusammengefasst wurden.

Eine bemerkenswerte Anzahl genannter „sozialer Innovationen“ kann dem Bereich Wohnen zugeordnet werden. So handelt es sich bei vielen Antworten etwa um (Wohn-)Genossenschaften u.a. mit konkreten Verweisen auf das Wiener Projekt die HausWirtschaft oder das Zukunftsprojekt Hangweide in der Region Stuttgart. Außerdem wird das alternative Finanzierungsmodell von Wohnsyndikaten, wie zum Beispiel das österreichweit agierende Kollektiv habiTAT Mietshäuser Syndikat erwähnt. Aber auch weitere Baugruppenprojekte und Baugemeinschaften sind prominent vertreten. Als deren Besonderheit und Mehrwert wird mehrmals darauf verwiesen, dass sich zukünftige Bewohner*innen zusammenschließen und von Beginn an ihrenWohn- und Lebensraum mitgestalten und dadurch eine höhere Identifikation mit der Umgebung entsteht, was sich auf den gesamten Stadtteil positiv auswirken kann.

Einige weitere der gesammelten Assoziationen zu sozialen Innovationen lassen sich dem Themenbereich Beteiligung und Co-Creation zuordnen. Anhand von Ideen- bzw. Partizipationsplattformen (z.B. Innovationshauptplatz Linz und Ideen4Kärnten) oder Bürger*innenbeteiligungverfahren (z.B. in Stuttgart Rosenstein oder im Rahmen des Innsbrucker Projekts AlpINN) werden Mehrwerte der aktiven Einbeziehung von Bürger*innen und Praxisakteuren geschildert. Interessant ist auch die Nennung von konkreten Büros, die stark mit partizipativen Ansätzen arbeiten. Im Bereich der Gemeinwesenarbeit werden mehrmalsInstitutionen in Wien, wie Nachbarschafts- bzw. Stadtteilzentren, die Gebietsbetreuung Stadterneuerung (GB*) und der Verein Lokale Agenda 21 genannt, von denen ein Beitrag zur sozialen Vernetzung von Bürger*innen im Stadtteil in Form einesDialograums erwartet wird. Da in Zuge dessen Projekte basierend auf den Bedarfen der Nachbarschaft angestoßen werden(können), werden diese Einrichtungen auch als „Brutstätten“ sozial innovativer Ideen bezeichnet.

Ein weiteres Themenfeld sind sozial integrative Projekte wie Mehrgenerationenhäuser, housing-first-Ansätze oder offene Gemeinschaftsküchen. Am Beispiel des Kahlenbergdörfl Klimadörfl  wird das Potenzial von alternativer Energieversorgung hervorgehoben. Auch Projekte, die zu den Themenfeldern alternative Mobilität und alternatives Wirtschaften zusammengefasst werden können, finden Berücksichtigung. Hier wird in erster Linie auf den ökologischen Mehrwert des Teilens von Ressourcen verwiesen. Zudem finden sich unter den Antworten mehrere Beispiele zum Nutzbarmachen von Leerständen durch Zwischen-bzw. Nachnutzung, wie etwa der Dorfplatz St. Andrä-Wörden, wo ein leerstehender Vierkanthof durch die Ansiedlung von Künstler*innen und Handwerksstätten als "Dorfplatz" und soziales Zentrum nachgenutzt werden soll.

Die genannten sozialen Innovationen zeichnen sich durch unterschiedliche Reifegrade aus. Während Wiener Nachbarschaftszentren schon über Jahrzehnte etabliert und auch Baugruppen kein neues Phänomen sind – zumindest im deutschsprachigen Raum –, befinden sich Ansätze wie die kooperative Energieversorgung bzw. lokale Energiegemeinschaften oder Projekte für Stadtlandwirtschaft eher noch in einer Experimentier- oder Ideenphase.

Insgesamt zeigt sich in den Ergebnissen die breite Vielfalt an sozialer Innovation und Innovationstypen in der Stadtentwicklung. Neben Produkten (Offene Gemeinschaftsküche, Repaircafés, Mehrgenerationenhaus), Organisationsformen (genossenschaftliche Selbstorganisation, Bottom-Up-Initiativen) und Prozessen (rollensensible Partizipationsprozesse, vereinfachte Abstimmungsprozesse für Fassadenbegrünung) umfassen soziale Innovationen auch Verhaltensweisen (Umdenken im individuellen Mobilitätsverhalten, gemeinwohlorientiertes Verhalten, Sharing-Praktiken) oder Haltungen/Einstellungen (Kultur des Zu-Fuß-Gehens). 

Daran lässt sich anknüpfen, weshalb diese erste Auswertung der Umfrage als Grundlage für weitere, detailliertere Analysen – u.a. in Bezug auf die unterschiedlichen Reifegrade und Typen an sozialen Innovationen – dient. Eine Aufgabe wird dabei sein, neben den heute als soziale Innovationen wahrgenommenen Projekten und Initiativen auch den Blick dafür zu bewahren, dass der Begriff über die angesprochenen Themen und Ebenen hinaus deutet. Dies gilt es zu identifizieren und bearbeiten, um den heute bereits sehr interessierten Diskurs weiter zu beleben.