Workshop „Gemeinschaftsgärten – Humus für soziale Innovation?“

im Rahmen der 15. Netzwerktagung von Gartenpolylog
Gemeinschaftsgärten in der Zukunft verankern

Die diesjährige Tagung „Gemeinschaftsgärten in der Zukunft verankern“ von Gartenpolylog lud zu einem Dialog ein, der unterschiedliche Positionen sichtbar machte und Vorarbeit für zukünftige Strategien leistete. In internationalen und nationalen Impulsvorträgen wurden Ansätze und Lösungen aus Perspektive der Zivilgesellschaft, Forschung und Verwaltung vorgestellt, die anschließend intensiv diskutiert wurden. Toni Karge von der Berliner Senatsverwaltung etwa präsentierte das im Jänner 2023 beschlossene Gemeinschaftsgarten-Programm “Berlin gärtnert”. Caroline Zeevat und Nienke Bouwhuis von Groen010 aus Rotterdam wiederum inspirierten die Debatte mit Ideen wie dem “Nationalpark Rotterdam” und ihrer langjährigen Erfahrung in dem Edible Cities Netzwerk. Szabolcs Rimanoczy vom Verein SeestadtGrün gab Einblicke in die Kreativität und das Engagement einer Wiener Nachbarschaftsinitiative, aber auch in die Mühen und Hürden, mit denen diese in der Umsetzung der Seestadt Lounge konfrontiert war.


In verschiedenen Workshops wurden am Folgetag Potentiale, Werte und Zukunftsperspektiven von Gemeinschaftsgärten im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen bearbeitet. Der Workshop "Gemeinschaftsgärten – Humus für soziale Innovation?" wurde von Mara Haas und Andreas Bernögger von der Innovationswerkstatt in Kooperation mit Bianca Pfanner vom Forschungsbereich LANDSCAPE (alle TU Wien) organisiert. In diesem setzten wir die Brille der sozialen Innovation auf und fragten: Was sind die Besonderheiten von Gemeinschaftsgärten? Welche Mehrwerte ergeben sich wo, wann und für wen? Inwiefern können diese zur nachhaltigen Transformation unserer Städte beitragen? Aufbauend auf dem „Substrat von heute“ diskutierten wir über den „Humus für morgen“: Was kann heute gepflanzt und gedüngt werden, sodass Gemeinschaftsgärten morgen noch mehr Früchte tragen? Im folgenden werden anhand unseres Grundverständnisses sozialer Innovation Variation – Mehrwert – Transformation (vgl. Bernögger et al. 2022, S. 2) einige Kernaussagen aus dem Workshop wiedergegeben.


Gemeinschaftsgärten als Variation in der Freiraumnutzung und -gestaltung weisen heute eine sehr hohe Vielfalt auf: hinsichtlich ihrer Größe, Lage, stadt- und freiräumlichen Einbettung, Zugänglichkeit , oder Organisationsform. Mal sind es Vereine, mal lose Gruppierungen oder treibende Einzelpersonen, die Gemeinschaftsgärten betreiben und hie und da unterstützen auch Akteure wie Hausverwaltungen oder Schulen die Projekte. Das ehrenamtliche Engagement ist bei den meisten Projekten jedoch zentral. Anregung für die Zukunft waren etwa, verstärkt Anlauf- und Unterstützungsstellen zu etablieren, sowohl in Magistraten, bei intermediären Akteuren, aber auch bei Wohnbauträgern und öffentlichen Einrichtungen mit potentiellen Flächen. Gerade Institutionen wie Schulen seien deshalb, aber auch aufgrund ihrer organisatorischen Struktur vielversprechende Partnerinnen für künftige Projekte. Zudem sollten Gemeinschaftsgärten als neuer Typ Freiraum verstanden werden, der in öffentlichen Grünflächen und Straßenräumen – etwa durch spezifische Bestimmungen in der Flächenwidmung – “eingeplant” werden kann. Denn gerade öffentlich zugänglichen und damit sehr sicht- und nutzbaren Gemeinschaftsgärten wurde ein großes Potential zugesprochen. Neben räumlichen Fragen sind aber auch organisatorische Strukturen ausschlaggebend, die etwa die Aufgabenteilung zwischen Nutzer*innen und Park- oder Straßenverwaltung klären.


Die Liste an von Gemeinschaftsgärten produzierten Mehrwerten ist scheinbar lang: höhere Nutzbarkeit der Freiräume, gesunde Ernährung und Bewegung im Alltag, Aneignung und Aktivierung von Flächen, belebtere und damit sicherere bzw. angenehmere Straßenräume, Beiträge zu Klimaanpassung und Biodiversität, die Stärkung von Ansätzen des Teilens und der Kreislaufwirtschaft, etc. Bei allen Vorzügen wurde aber auch deutlich, dass anhand vieler Projekte auch gegenläufige Interessen verhandelt werden. Dabei geht es nicht nur um die Flächenverteilung (z.B. Parkplatz vs. Parklet), sondern auch um verschiedene Ansprüche an die Nutzung (z.B. Spielen vs. Gärtnern) oder um die Nutzungsintensität (z.B. Ruhebedürfnis vs. belebter Ort). All diese Fragen beschäftigen die involvierten und ermöglichenden Akteure wie Politik und Verwaltungen an vielen Stellen. Als konkrete Anregung für die Zukunft wurde benannt, dass Forschungsprojekte (durchaus mit Citizen Science Ansätzen) die Mehrwerte von verschiedenen Typen an Gemeinschaftsgärten herausarbeiten sollten, um konkrete Vorschläge besser beurteilen und bestehende Projekte verbessern zu können – bspw. in Bezug auf Wasserverbrauch, Biodiversität und Stadtklima. Um einen konstruktiven Umgang mit Interessenskonflikten zu stärken, sind aber auch soziale, organisatorische und kommunikative Themen gefragt. Das Dreieck Zivilgesellschaft, Wissenschaft und öffentliche Hand wurde dabei als wesentlich benannt.


Hinsichtlich des Beitrags von Gemeinschaftsgärten zur nachhaltigen Transformation von Städten wurden einige Punkte identifiziert. Die Verankerung in urbanen Strategien, Freiraumkonzepten und auch (partizipative und unterstützende) Budgets wurden dabei genannt. Auch Synergien mit anderen sozial innovativen Ansätzen wie Leihläden, um sichdas nötige Werkzeug zu teilen oder Lastenrad-Sharing auf Quartiersebene wurden als Möglichkeit genannt, um diese Ansätze wechselseitig zu stärken. Intermediäre Akteure auf Stadtteilebene wie die Wiener Gebietsbetreuung Stadterneuerung sind heute schon wichtige Akteure, mit denen die Kooperation verstärkt gesucht werden soll. Aber auch mit öffentlichen Bildungseinrichtungen wie Schulen und Volkshochschulen sollten verstärkt Partnerschaften eingegangen werden, zumal Gemeinschaftsgärten als interaktive Lernorte für Themen wie Ernährung, soziales Miteinander, (Stadt-)Klima und Mobilität gesehen werden.

Insgesamt nimmt die Innovationswerkstatt viele spannende Anregungen aus der Tagung für ihre weitere Arbeit mit.

Bild: © Innovationswerkstatt, future.lab, TU Wien